Difference between revisions of "Text:Michael Drieschner - Was ist die Wirklichkeit nun wirklich"

From DigiVis
Jump to: navigation, search
Line 7: Line 7:
  
 
((2)) Sehr plausibel ist mir, wie Glasersfeld in seinem RadikalKonsauküvisüschen Ansatz zeigt, daß wir uns die Wirklichkeit  um uns herum selbst konsüuieren, und zwar nach unseren Bedürfnissen ñir das Überleben - im weitesten Sinm wären  nicht in der Lage, eine etwa angenommene an sich vorhande ne Welt als solche unmittelbar aufzunehmen. - Schon sehr viel weniger plausibel ist der Skeptizismus, den Glasersfeld mit  diesem Radikal-Konsruküvistischen Ansatz verbindet. Und  noch viel weniger plausibel ist mir alles das, was Glasersfeld zu  einer "ontologischen Realität' ((58)) oder "'Wahrheit und  'Wahrheit im philosophischen Sinn'" ((64)) sagt.<br>
 
((2)) Sehr plausibel ist mir, wie Glasersfeld in seinem RadikalKonsauküvisüschen Ansatz zeigt, daß wir uns die Wirklichkeit  um uns herum selbst konsüuieren, und zwar nach unseren Bedürfnissen ñir das Überleben - im weitesten Sinm wären  nicht in der Lage, eine etwa angenommene an sich vorhande ne Welt als solche unmittelbar aufzunehmen. - Schon sehr viel weniger plausibel ist der Skeptizismus, den Glasersfeld mit  diesem Radikal-Konsruküvistischen Ansatz verbindet. Und  noch viel weniger plausibel ist mir alles das, was Glasersfeld zu  einer "ontologischen Realität' ((58)) oder "'Wahrheit und  'Wahrheit im philosophischen Sinn'" ((64)) sagt.<br>
((3)) Wir konstruieren, mit Hilfe unseres Nervensystems und dem damit zusammenhängenden eigenen Leib die Wirklich keit so, daß sie uns "viables" Verhalten ermöglicht: Wir kon sFuieren sie so, daß wir z.B. beim Gehen nicht anstoßen. Unsere Fähigkeiten auf diesem Gebiet sind so gut ausgeprägt,
+
 
 +
((3)) Wir konstruieren, mit Hilfe unseres Nervensystems und dem damit zusammenhängenden eigenen Leib die Wirklich keit so, daß sie uns "viables" Verhalten ermöglicht: Wir konstruieren sie so, daß wir z.B. beim Gehen nicht anstoßen. Unsere Fähigkeiten auf diesem Gebiet sind so gut ausgeprägt,daß wir uns auf diese Weise eine sehr komplexe Wirklichkeit konsu•uieren, die nicht nur Gegenstände enthält, um die wir herumgehen müssen, sondern - wie es Giasersfeld beschreibt
 +
-s ein System von kognitiven Theorien, bis hin zu einem höchst komplexen sozialen System. Dieses System kann sich bewähren, und es wird sich wegen seiner Konstruktion aufgrund von  Viabilitäten im allgemeinen auch bewähren; wo es sich nicht bewährt - wo vermeintliche Viabilitäten sich als falsch erweisen -, können wir es korrigieren. Die so von mir konstruierte Realität ist aber - Glasersfeld scheint das zu bezweifeln - die Realität. Es ist nicht zu sehen, was eine andere, meinetwegen "ontologische" Realität, wie Glasersfeld sie einführt, daneben noch soll. Diese weitere Realität käme in die Nähe von Kants "Ding an sich": Nach Kant können wir die Welt nur so erkennen, wie sie uns erscheint; wir könnten über Erscheinungen manches sagen, "niemals aber das Mindeste von dem  Dinge an sich selbst, das diesen Erscheinungen zum Grunde  liegen mag'* (KrV 46, zitiert nach Glasersfeld 1987). Kant beschreibt die Welt der Erscheinung so ausführlich und überzeugend, daß man ihm schließlich gar nicht mehr recht ab nimmt, daß dahinter ein unerkennbares Ding an sich sein muß  etwas, worüber man ohnehin nichts sagen kann.<br>
 +
 
 +
(4)) Wenn wir "radikal" genug damit Ernst machen* daß wir so die Wirklichkeit konsniieren, dann sind wir auch wieder legitimien, von einer objektiven Beschreibung der Welt zu spre Chen, wie sie ein Beobachter dieser Welt geben würde. Wie würde man denn im Radikal-Konsu•uktivisüschen Bild die von  der Naturwissenschaft beschriebene objektive Welt ansiedeln? - In der Sicht des radikalen Konstruktivismus kann das ja auch nur eine Konstnrktion sein, vielleicht etwas raffinierter als die von mir allein erzeugte. von hohem sozialen Konsens  aber eben doch auch Konsruktion. In dieser Konstruktion käme nun u. a. eine Beschreibung von Nervensystemen vor. z.B. Ernst von Glasersfeld* wie er sich seine Umwelt entsprechend seiner neurophysiologischen Ausstattung und nach Maßgabe seiner Viabilitäten konstruiert; so, wie er es eben wirldich macht. Diese Beschreibung ist legitim als Teil meiner Konsül'ktion der Welt (über die ich mich mit anderen verständigen kann). Dann bekommt sogar die "Korrespondenztheorie der Wahrheit" einen guten Sinn: Wenn G.s Konstruktion, wie er sie mir mitteilt, mit meiner Konsruktion an der betreffenden Stelle übereinstimmt, dann ist G.s Mitteilung (soweit ich es beurteilen kann) wahr. Dies trifft dann auch auf die Radikal-Konsroktivistische Sicht selber zu: Was Ev.Glasersfeld in seinen Schriften behauptet und m.E. ganz plausibel darstellt,ist Teil unserer gemeinsamen Konsu•uktion von Wirklichkeit.
 +
über deren Wahrheit wir uns verständigen können. - Wenn er aber am Schluß seines Aufsatzes schreibt; "Diese Denkweise hat keinen Anspruch auf 'Wahrheit' im philosophischen Sinn", dann entzieht er sich damit m.E. auf unfaire Weise der Härte  der Diskussion, Denn in Wirklichkeit behauptet erja zweifellos im Ernst das, was er behauptet; er beansprucht also, daß seine Behauptungen wahr seien - was sonst sollte Wahrheit bedeuten, in welchem "philosophischen Sinn" auch immer. Und  die Wahrheit besteht hier darin, daß die Konsa-uktion, die er leistet, Teil der Wirklichkeit ist - nämlich der Wirklichkeit, die  u.a. ich mir konstruiere, dabei aber vom Netz der so  zialen Zustimmung der scientific community, die  zweifellos, Teil der von mir konstruierten Wirklichkeit ist. <br>
 +
 
 +
(5)) In diesem Zusammenhang sehe ich jedenfalls keinen Grund für eine besondere Skepsis. Denn wenn ich weiß, daß meine Wirklichkeit, die um mich herum ist, von mir in der von Glasers feld beschriebenen Weise konstruien ist, kann ich umso besser beurteilen, inwiefern sie verläßlich ist und inwiefern vielleicht  nicht Wenn ich ohnehin zur Skepsis neige, dann gibt mir diese  Einsicht vielleicht einen Zugang zurbesseren Hifung der Wahrheit meiner Beschreibung; und wenn ich ohnehin nicht vonSkeptizismus geplagt bin, dann gibt mir diese Einsicht auch keinen neuen Grond, mich von Stund an demselben hinzugeben
 +
 
 +
Literatur
 +
Glasersfeld E. v. (1987), Wissen ohne Erkenntnis. In: Pastemack G. (Hg,)Philosophie und Wissenschaften: Das Prohiera des Apriorismus. Frankfurt, etc. (Lang)
 +
 
 +
Adresse
 +
Prof. Dr. Michael Drieschner, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Philosophie, Universitätsstr. 150, D-44801 Bochum

Revision as of 18:42, 5 October 2019

= Was ist die Wirklichkeit nun wirklich? =

Michael Drieschner


((I)) Ich möchte hier nur auf einen, allerdings fundamentalen Gesichtpunkt eingehen, den der Wirklichkeit. Meine Position, die von Ernst von Glasersfelds etwas abweicht, fasse ich so zusammen: Wir konsùuieren unsere Wirklichkeit nach Via bilitäten selbst; aber die so konsu•uierte Wirklichkeit ist dann auch die Wirklichkeit, es gibt keine andere "hinter" ihr.

((2)) Sehr plausibel ist mir, wie Glasersfeld in seinem RadikalKonsauküvisüschen Ansatz zeigt, daß wir uns die Wirklichkeit um uns herum selbst konsüuieren, und zwar nach unseren Bedürfnissen ñir das Überleben - im weitesten Sinm wären nicht in der Lage, eine etwa angenommene an sich vorhande ne Welt als solche unmittelbar aufzunehmen. - Schon sehr viel weniger plausibel ist der Skeptizismus, den Glasersfeld mit diesem Radikal-Konsruküvistischen Ansatz verbindet. Und noch viel weniger plausibel ist mir alles das, was Glasersfeld zu einer "ontologischen Realität' ((58)) oder "'Wahrheit und 'Wahrheit im philosophischen Sinn'" ((64)) sagt.

((3)) Wir konstruieren, mit Hilfe unseres Nervensystems und dem damit zusammenhängenden eigenen Leib die Wirklich keit so, daß sie uns "viables" Verhalten ermöglicht: Wir konstruieren sie so, daß wir z.B. beim Gehen nicht anstoßen. Unsere Fähigkeiten auf diesem Gebiet sind so gut ausgeprägt,daß wir uns auf diese Weise eine sehr komplexe Wirklichkeit konsu•uieren, die nicht nur Gegenstände enthält, um die wir herumgehen müssen, sondern - wie es Giasersfeld beschreibt -s ein System von kognitiven Theorien, bis hin zu einem höchst komplexen sozialen System. Dieses System kann sich bewähren, und es wird sich wegen seiner Konstruktion aufgrund von Viabilitäten im allgemeinen auch bewähren; wo es sich nicht bewährt - wo vermeintliche Viabilitäten sich als falsch erweisen -, können wir es korrigieren. Die so von mir konstruierte Realität ist aber - Glasersfeld scheint das zu bezweifeln - die Realität. Es ist nicht zu sehen, was eine andere, meinetwegen "ontologische" Realität, wie Glasersfeld sie einführt, daneben noch soll. Diese weitere Realität käme in die Nähe von Kants "Ding an sich": Nach Kant können wir die Welt nur so erkennen, wie sie uns erscheint; wir könnten über Erscheinungen manches sagen, "niemals aber das Mindeste von dem Dinge an sich selbst, das diesen Erscheinungen zum Grunde liegen mag'* (KrV 46, zitiert nach Glasersfeld 1987). Kant beschreibt die Welt der Erscheinung so ausführlich und überzeugend, daß man ihm schließlich gar nicht mehr recht ab nimmt, daß dahinter ein unerkennbares Ding an sich sein muß etwas, worüber man ohnehin nichts sagen kann.

(4)) Wenn wir "radikal" genug damit Ernst machen* daß wir so die Wirklichkeit konsniieren, dann sind wir auch wieder legitimien, von einer objektiven Beschreibung der Welt zu spre Chen, wie sie ein Beobachter dieser Welt geben würde. Wie würde man denn im Radikal-Konsu•uktivisüschen Bild die von der Naturwissenschaft beschriebene objektive Welt ansiedeln? - In der Sicht des radikalen Konstruktivismus kann das ja auch nur eine Konstnrktion sein, vielleicht etwas raffinierter als die von mir allein erzeugte. von hohem sozialen Konsens aber eben doch auch Konsruktion. In dieser Konstruktion käme nun u. a. eine Beschreibung von Nervensystemen vor. z.B. Ernst von Glasersfeld* wie er sich seine Umwelt entsprechend seiner neurophysiologischen Ausstattung und nach Maßgabe seiner Viabilitäten konstruiert; so, wie er es eben wirldich macht. Diese Beschreibung ist legitim als Teil meiner Konsül'ktion der Welt (über die ich mich mit anderen verständigen kann). Dann bekommt sogar die "Korrespondenztheorie der Wahrheit" einen guten Sinn: Wenn G.s Konstruktion, wie er sie mir mitteilt, mit meiner Konsruktion an der betreffenden Stelle übereinstimmt, dann ist G.s Mitteilung (soweit ich es beurteilen kann) wahr. Dies trifft dann auch auf die Radikal-Konsroktivistische Sicht selber zu: Was Ev.Glasersfeld in seinen Schriften behauptet und m.E. ganz plausibel darstellt,ist Teil unserer gemeinsamen Konsu•uktion von Wirklichkeit. über deren Wahrheit wir uns verständigen können. - Wenn er aber am Schluß seines Aufsatzes schreibt; "Diese Denkweise hat keinen Anspruch auf 'Wahrheit' im philosophischen Sinn", dann entzieht er sich damit m.E. auf unfaire Weise der Härte der Diskussion, Denn in Wirklichkeit behauptet erja zweifellos im Ernst das, was er behauptet; er beansprucht also, daß seine Behauptungen wahr seien - was sonst sollte Wahrheit bedeuten, in welchem "philosophischen Sinn" auch immer. Und die Wahrheit besteht hier darin, daß die Konsa-uktion, die er leistet, Teil der Wirklichkeit ist - nämlich der Wirklichkeit, die u.a. ich mir konstruiere, dabei aber vom Netz der so zialen Zustimmung der scientific community, die zweifellos, Teil der von mir konstruierten Wirklichkeit ist.

(5)) In diesem Zusammenhang sehe ich jedenfalls keinen Grund für eine besondere Skepsis. Denn wenn ich weiß, daß meine Wirklichkeit, die um mich herum ist, von mir in der von Glasers feld beschriebenen Weise konstruien ist, kann ich umso besser beurteilen, inwiefern sie verläßlich ist und inwiefern vielleicht nicht Wenn ich ohnehin zur Skepsis neige, dann gibt mir diese Einsicht vielleicht einen Zugang zurbesseren Hifung der Wahrheit meiner Beschreibung; und wenn ich ohnehin nicht vonSkeptizismus geplagt bin, dann gibt mir diese Einsicht auch keinen neuen Grond, mich von Stund an demselben hinzugeben

Literatur Glasersfeld E. v. (1987), Wissen ohne Erkenntnis. In: Pastemack G. (Hg,)Philosophie und Wissenschaften: Das Prohiera des Apriorismus. Frankfurt, etc. (Lang)

Adresse Prof. Dr. Michael Drieschner, Ruhr-Universität Bochum, Institut für Philosophie, Universitätsstr. 150, D-44801 Bochum