Annotationen:Marco Bettoni – Dialog über Wissenstheorie

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ArgumentationFremd
FREMDER: ((3)) Dein Wunsch freut mich sehr, o Rolf, denn unter den 4 Quellgebieten aus denen Emst von Glasersfeld Denken erwuchs ((3)), ist jenes der Analyse mentaler Operationen dasjenige, welches ihn am engsten mit seinem (und meinem) kürzlich verstorbenen Freund und Meister Silvio Ceccato verbindet ((46)). Weiter sind EvGs Begriffsanalysen ((43-56)) vorzüglich dazu geeignet, eine fundamentale Lücke in Maturanas Biologie der Kognition[3] zu füllen: die Entwicklung von generativen Mechanismen, deren Operieren Unterscheidungen hervorbringt. So wie ich den Text verstehe, betrachtet EvG mentale Operationen als Handlungen auf der BEGRIFFLICHEN Ebene (bzw. im begrifflichen Bereich auf der Ebene der kognitiven Funktionen) welche, zusammen mit physischen Handlungen auf der SENSOMOTORISCHEN Ebene (bzw, im sensomotorischen Bereich auf der Ebene der physischen Funktionen) alles Wissen hervorbringen ((44)). Dabei versteht er Wissen nicht als enzyklopädisches Archiv, sondern durchaus dynamisch, nämlich als „Repertoire von Handlungen und Operationen“ ((57)). Er präzisiert weiter, dass „mentale Operationen uns in unserer täglichen Erfahrung Begriffsstrukturen liefern“ ((45)) und beschreibt als Beispiele die mentalen Operationen der Begriffe Mehrzahl ((43)), Objektpermanenz ((45)), Identität ((45-47)), Änderung ((52)), Dauer und Ausdehnung ((54)).
ArgumentationFremd
FREMDER: ((7)) Zunächst möchte ich hervorheben, dass EvG seinen Ansatz als Denkmodell versteht ((64)). Genauso wie er, betrachte auch ich alles was ich hier sage nicht als Beschreibung einer realen Welt, nicht als Behauptung über das „Sein“ oder die „Essenz“ von etwas, sondern lediglich als geordnetes, kohärentes und konsistentes System von Begriffen. Deshalb kann ich die Fragen „Was ist das Mentale?“ und „Kann eine Operation mental sein?“ so nicht beantworten, wohl aber in der abgewandelten Formulierung „Was betrachtest du als das Mentale?“ und „Was betrachtest du als mentale Operationen?“, Sollen wir uns also auf diese veränderte Form der Fragen einigen oder hast du, o Robert, andere, besser passende Formulierungen für deine Fragen? ROBERT: Die habe ich nicht.
ArgumentationFremd
FREMDER: ((12)) O liebe Freunde, eure Rede klingt sehr subtil und durchdacht, aber ich für mich sehe vieles ganz anders. So wie ich den Text von EvG verstehe, geht es der Radikal-Konstruktivistischen Wissenstheorie darum, Wissen als "interne Konstruktion” aufzufassen ((1)) sowie brauchbare Modelle der Vorgänge (der Mechanismen) des internen Konstruierens von Begriffen zu entwickeln ((56)) und nicht darum, diese Wissensmodelle als materielle Konstruktionen zu bauen oder „Operationen mittels einer Blackbox zu erklären”. Die Blackbox „kognitives System“ dient nicht dazu, Operationen des Konstruierens zu „erklären“ sondern umgekehrt: die von EvG beschriebenen Vorgänge (mentale Operationsfolgen) des internen Konstruierens von Begriffen sind Erklärungen (der Arbeitsweise) des “kognitiven Systems”. Erklärungsbedürftig sind also zuerst Begriffe - und somit Wortbedeutungen ((56)) - und diese werden in EvGs „Begriffsanalyse“ ((43-56)) mit generativen Mechanismen erklärt, deren Operieren die zu erklärenden Phänomene - nämlich jene formalen Begriffe, „die nicht direkt aus Elementen der Wahrnehmung gewonnen werden können“ ((43)) - erzeugen. In diesem Sinne ist z.B. der von EvG entwickelte Mechanismus der Mehrzahl eine Erklärung für den formalen Begriff “Mehrzahl” ((43)): erst durch die mentalen Operationen der Mehrzahl werden Dinge für uns mehrzahlig, so wie erst durch die mentalen Operationen des Schönen die - für uns - schönen Dinge schön werden[5]. So kann die Radikal-Konstruktivistische Wissenstheorie mit Maturanas naturwissenschaftlicher Theorie des Wissens mühelos kombiniert werden und dabei eine fundamentale Lücke füllen, nämlich erklären, wie der Beobachter seine “Unterscheidungen” (z.B. etwas als Mehrzahl zu betrachten) macht. Erst nachdem Begriffe als generative Mechanismen entwickelt worden sind, verfügen wir über Erklärungen des Verhaltens der Blackbox „kognitives System“: Deshalb ist eine Begriffsanalyse, wie sie EvG vorschlägt, die Voraussetzung dafür, dass „konstruktive Wissenschaften ... Maschinen konstruieren“ können, „die das Verhalten der Blackbox erklären“, wie Rolf sagte. Um eine Maschine oder ein Organ zu bauen oder zu analysieren, muss nämlich immer zuerst die Funktion (der Funktionsbaum der generativen Mechanismen) spezifiziert werden. Da ist nun aber etwas, worüber ich zweifelhaft bin und was ich im Text von EvG nicht hinreichend ergründet finde: diese generativen Mechanismen - Operationsweisen ((46)) -, deren Operieren die Begriffe erzeugen, wie weit (wie detailliert, wie umfassend) sollen und können wir sie entwickeln, bevor wir damit anfangen, sie in einem Artefakt zu realisieren?