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Wie kommen Menschen zur Sprache?

Im Anfang war das Wort

Mit Sprache zu kommunizieren ist eine Fähigkeit, die als einzigartiges Merkmal des Menschen wahrgenommen wird. Deswegen beschäftigen sich bereits seit Jahrhunderten Denkerinnen und Denker mit der Frage, woher die menschliche Sprache kommt und was sie von tierischen Kommunikationssystemen unterscheidet.

Wir können nicht nachvollziehen, wo die Ursprünge für Sprache liegen. Es gibt keine Quellen für das erste gesprochene Wort oder das erste Gespräch, das Menschen geführt haben.

Antike Philosophen, verschiedene Religionen und unterschiedliche Wissenschaftler haben Theorien zum Ursprung der menschlichen Kommunikation formuliert. Als Charles Darwin mit der Evolutionstheorie, die Sonderstellung des Menschen unter den Tieren relativierte, gewann die Frage nach dem Anfang der Sprache an Brisanz.

Hier werden verschiedene Theorien zur Glottogenese, also zur Entstehung und zum Ursprung der menschlichen Sprache kurz vorgestellt:

Religionen und der Ursprung der Sprache

In der Bibel wird erzählt, wie Adam den Tieren Namen gab. Es wird aber nicht erklärt, woher er diese Begriffe kannte. Auch die Sprache, in der er die Tiere benannte, wird nicht näher genannt. Christentum und Judentum gehen davon aus, dass Adam Hebräisch sprach.

Der Hinduismus geht davon aus, dass Sanskrit die Sprache der Götter und des Kosmos ist. Islamische Theorien sehen Arabisch als die erste Sprache des Menschen. In China machte man sich weniger Gedanken über den Ursprung der Sprache. Man suchte allerdings nach dem Anfang des chinesischen Schreibsystems. Bis ins 18. Jahrhundert versuchten nur wenige Wissenschaftler eine andere Erklärung für den Ursprung der Sprache zu finden.

Angeborene Sprache

Viele Theorien gehen davon aus, dass die Fähigkeit zu sprechen den Menschen angeboren ist. Manche, wie zum Beispiel der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky, vermuten, dass es in der Entwicklung des Menschen zu einer einzelnen Mutation im Gehirn kam, die die menschliche Sprache möglich macht.

John Locke, Adam Smith und andere Theoretiker nehmen an, dass Menschen zu sprechen begannen, weil soziale Situationen es erforderten. Andere behaupten, dass wir eine Neigung dazu haben, mit bestimmten Lauten auf bestimmte Objekte und Aktionen zu reagieren. Es werden dabei aber nicht Geräusche imitiert, sondern auf der Basis einer angeborenen Harmonielehrer Wörter gebildet. Diese Harmonien erklären auch die Ähnlichkeit zwischen verschiedenen Sprachen. Eine dieser Erklärungen wird Ding-Dong-Theorie genannt.

Mitteilungsbedürftige Wesen

Andere Theorien betrachten den Menschen als mitteilungsbedürftige Wesen. In der Kontakttheorie schreibt man dem Menschen ein Kommunikationsbedürfnis zu, das über das von Tieren hinausgeht. Für Tiere reichen demnach emotionale Rufe aus, um sich zu verständigen. Der Mensch mit seinem weiterentwickelten Intellekt braucht allerdings Sprache, um auch komplexere Inhalte ausdrücken zu können. Ein Grund für die Entwicklung der sprachlichen Kommunikation ist in dieser Theorie auch die Möglichkeit, über etwas sprechen zu können, das nicht in der unmittelbaren Umgebung ist. Sprache wird in diesem Zusammenhang auch als Werkzeug für soziale Kontrolle betrachtet.

Auch das gemeinsame Arbeiten wird als Anlass für Kommunikation betrachtet. Einerseits, weil rhythmische Lautäußerungen helfen können, die Aktionen von Einzelpersonen zu koordinieren. In Anlehnung an Arbeitslieder wird diese Theorie auch Yo-He-Ho-Theorie genannt. Andererseits, weil Geräusche, die bei einer bestimmten Arbeit zu hören waren, imitiert worden sein könnten und schließlich den Ursprung für Worte gebildet haben könnten, die für Werkzeuge oder bestimmte Arbeiten standen.

J. Donovan ging Ende des 19. Jahrhunderts davon aus, dass die Ursprünge der Sprache in Tanz, Gesang und den damit verbundenen Klangerzeugungen lagen. Die frühe Sprache wäre demnach musikalisch und leidenschaftlich gewesen.

Glücklicher Zufall

Der griechische Philosoph Plato vertat die Theorie, dass sich Menschen in der Vergangenheit irgendwann darauf geeinigt haben, bestimmte sprachliche Symbole für Dinge in ihrer Umgebung zu verwenden. Die dabei entstandenen Worte waren völlig zufällige Erfindungen. Kritiker fragten, wie sich Menschen bei der Erfindung von Sprache verständigen konnten, wenn sie nicht miteinander kommunizieren konnten. Möglicherweise haben sie dabei über Gesten kommuniziert. Aber wie entwickelten sich diese Gesten?

Thorndike schlug Mitte des 20. Jahrhunderts vor, dass zufälliges Plappern selektiv verstärkt wurden. Daraus entstand ein gemeinsames Verständnis von Lautäußerungen, die schließlich zu Worten wurden. Diese Entwicklung vollzieht sich bei jedem Kind, das zu sprechen beginnt, aber auch die ursprüngliche Sprache könnte so entstanden sein. Es bleibt aber offen, woher Eltern wussten, welche Äußerungen ihres Kindes sie verstärken sollten.

Lautmalerei und emotionale Laute

Vokaltheorien betrachten Sprache als gesprochene und gehörte Kommunikation. Sie gehen davon aus, dass ihr Ursprung auch in den Lauten und Schreien von Tieren liegen kann. Die Puuh-puuh-Theorie nimmt beispielsweise an, dass die erste Kommunikation vor allem aus Rufen und Schreien, die durch Emotionen ausgelöst wurden, bestand. Das Gehirn des modernen Menschen verarbeitet Laute, wie Lachen, Schreien oder Seufzen allerding in einem anderen Teil des Gehirns als Sprache.

Die Bow-Wow-Theorie vermutet, dass Menschen irgendwann begannen verschiedene Naturgeräusche zu imitieren. Aufgrund unserer biologischen Voraussetzungen können wir Tierrufe sehr gut nachmachen. Allerdings zeigen Untersuchungen von bekannten Sprachen, dass nur ein Teil des vorhandenen Wortschatzes auf Lautmalerei – auch Onomatopoesie genannt – zurückzuführen ist.

Gesten

Gestische Äußerungen zeigen, wie aus Zeichen Bezeichnungen werden können. Auch Primaten können gestisch kommunizieren. Daher erscheint die Verbindung von Gesten zum Ursprung der gesprochenen Sprache interessant zu sein. Einige Theorien beschäftigen sich damit, wie sich Zeichensprachen zu gesprochener Sprache entwickeln konnte. Eine Beobachtung dabei ist, dass sich Zunge, Lippen und andere Vokalorgane sich oft im Einklang mit Händen und Armen bewegen. Wenn diese Bewegungen beim Arbeiten oder beim Gestikulieren mit der Stimme verbunden werden, können die entstehenden Laute wie artikuliertes Sprechen klingen. Möglicherweise haben sich aus diesen Äußerungen Worte und Sprache entwickelt.

(Zusammengefasst aus: Winant, Gordon (1977): Language Origin Theories In: Rumbaugh, Duane: Language Learning by a Chimpanzee. The LANA Project. Communication and Behaviour AnInterdisciplinary Series. New York/San Francisco/London: Academic Press.)